USA: Wie geht es nach dem TikTok-Ultimatum weiter? (2024)

USA: Wie geht es nach dem TikTok-Ultimatum weiter? (1)

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Stand: 24.04.2024 21:29 Uhr

Verkauf oder faktisches Verbot: Mit dem vom US-Kongress gesetzten Ultimatum eskaliert der Streit um TikTok in den USA. Was folgt aus der überparteilichen Initiative - und wie realistisch ist, dass TikTok sich fügt?

Warum will der US-Kongress TikTok verbieten?

Abgeordnete sowohl der Demokraten als auch der Republikaner betrachten die App als Risiko für die nationale Sicherheit, weil die Regierung in Peking das Unternehmen zwingen könnte, Nutzerdaten herauszugeben. Bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus warnte Geheimdienst-Koordinatorin Avril Haines, dass die Regierung in Peking versuchen könnte, die Kurzvideo-Platform TikTok zur Beeinflussung der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen zu nutzen.

Isabell Karras, ARD Washington, zum neuen US-Gesetz mit Maßnahmen gegen die Videoplattform TikTok tagesschau24, 24.04.2024 18:00 Uhr

Im aktuellen Wahljahr wollen viele US-Politiker gegenüber China Härte zeigen. Der Streit um TikTok ist nur einer von vielen: Um den technologischen und militärischen Aufstieg Chinas zu bremsen, haben die USA unter anderem die Exporte hochmoderner Computerchips in die Volksrepublik eingeschränkt. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte während seiner Amtszeit bereits versucht, TikTok zu verbieten. Er war damals an den US-Gerichten gescheitert.

Wer hat für das Gesetz gestimmt, wer dagegen?

Das US-Repräsentantenhaus hat die Vorlage mit einer überparteilichen Mehrheit von 360 zu 58 Stimmen verabschiedet. Im Senat waren es 79 zu 18 Stimmen. Führende Demokraten und Republikaner hatten die Initiative gemeinsam angestoßen.

Zu den Gegnern des Gesetzes gehört die prominente demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die mit Nein gestimmt hat. Ihrer Ansicht nach gibt es "ernsthafte kartell- und datenschutzrechtliche Fragen". Sie forderte, alle Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit sollten vor einer Abstimmung der Öffentlichkeit dargelegt werden. Ihr demokratischer Kollege Ro Khanna befürchtet, dass das Gesetz einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird, da die Redefreiheit ein hohes Gut sei.

Zahlreiche Jungwähler stehen einem möglichen Verbot kritisch gegenüber. Für sie ist die App ein wichtiges Werkzeug, um politische Themen zu verfolgen oder ihre Ansichten zu teilen. Das Wahlkampfteam des US-Präsidenten Joe Biden hat einen eigenen TikTok-Kanal eingerichtet. In Deutschland ist inzwischen auch Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Plattform präsent.

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Wie geht es nun weiter?

Mit der Unterzeichnung des Gesetzes durch US-Präsident Biden am Mittwoch begann eine Frist für den Verkauf - sie läuft neun Monate. Sie kann um drei Monate verlängert werden, sollte der Präsident der Ansicht sein, dass sich die Transaktion ihrem Abschluss nähert.

Diese Entscheidung muss voraussichtlich rund um den 20. Januar 2025 gefällt werden, dem Datum für die Vereidigung des künftigen US-Präsidenten. Diese Aufgabe würde also entweder einem wiedergewählten Biden oder seinem wahrscheinlichen Herausforderer Trump zufallen. Es ist allerdings unklar, ob die chinesische Regierung einen TikTok-Verkauf zulassen würde oder diese Transaktion im vorgegebenen Zeitrahmen abgewickelt werden kann.

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Wie reagiert TikTok?

Nach Angaben seines Chefs will TikTok vor Gericht gegen das US-Ultimatum vorgehen. In einem Video in dem Internetdienst nannte Shou Zi Chew den Beschluss ein "Verbot von TikTok". An die User gewandt sprach er von einem Verbot "von Ihnen und Ihrer Stimme".

Der TikTok-Chef sprach von einem "enttäuschenden Moment". Es sei "ironisch", da die freie Meinungsäußerung auf TikTok "dieselben amerikanischen Werte widerspiegelt, die aus den USA einen Leuchtturm der Freiheit machen". Er lud die Nutzer dazu ein, zu erzählen, welchen positiven Einfluss TikTok auf ihr Leben gehabt habe. Das Unternehmen bestreitet jegliche Verbindungen zur chinesischen Regierung und versichert, es habe sich so umstrukturiert, dass die Nutzerdaten in den USA blieben.

TikTok-Anwälte werden wohl zunächst eine einstweilige Verfügung beantragen, um eine Umsetzung des Gesetzes zu verhindern, bis dessen Verfassungsmäßigkeit überprüft wurde. Dieses Verfahren könnte sich bis ins kommende Jahr hineinziehen. Bei einer ähnlichen Klage gegen ein Verbot im US-Bundesstaat Montana wurde eine einstweilige Verfügung gewährt.

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Wer könnte TikToks US-Geschäft übernehmen?

Analysten des Vermögensverwalters Wedbush sehen Microsoft und Oracle als mögliche Käufer für TikTok. Die beiden US-Konzerne hätten in der Vergangenheit bereits Interesse bekundet. Auch diverse Finanzinvestoren und Konsortien, darunter eines um den früheren US-Finanzminister Steven Mnuchin, stünden bereit.

Experten zufolge würde der chinesische Mutterkonzern ByteDance TikTok niemals inklusive der Algorithmen verkaufen, die unter anderem Nutzern neue Clips vorschlagen. Sie fielen unter Technologien, für deren Export eine staatliche Genehmigung der Regierung in Peking notwendig sei. Ohne diese Algorithmen sei die Video-Plattform deutlich weniger wert als aktuell.

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Wie würde ein Verbot durchgesetzt?

Sollte sich ByteDance nicht innerhalb der Frist vom US-Geschäft der Tochter trennen, müssen Anbieter wie Apple oder die Alphabet-Tochter Google TikTok aus ihren jeweiligen App Stores werfen. Außerdem dürfen US-Unternehmen die Dienste von Firmen, die von ByteDance kontrolliert werden, nicht mehr auf ihren Servern laufen lassen. Theoretisch würde US-Nutzern damit der Zugriff auf TikTok unmöglich gemacht.

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Ist TikTok auch in anderen Ländern verboten?

TikTok und die Programme einiger anderer chinesischer Anbieter sind in Indien seit Mitte 2020 komplett verboten. Das Land begründete dies mit einer Gefahr für die nationale Sicherheit. Auch Nepal hat die Video-App verbannt. In zahlreichen anderen Staaten mussten Regierungsvertreter und Staatsbedienstete TikTok von ihren Diensthandys löschen, unter anderem in Großbritannien.

In Deutschland ist Bediensteten des Bundespresseamts die Nutzung von TikTok auf ihren dienstlichen Geräten untersagt. Einem Medienbericht zufolge prüft das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mögliche Risiken der App. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden zunächst nicht öffentlich gemacht. Der Beauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber, hat nach eigenen Aussagen bereits 2021 sämtlichen Bundesministerien und -behörden von einer Installation der App auf Diensthandys abgeraten.

Auch bei der EU-Kommission ist die App auf diesen Geräten tabu. Auf deren Druck hat TikTok jetzt ein umstrittenes Belohnungssystem vorerst ausgesetzt - wegen mutmaßlicher Suchtgefahren für Minderjährige. "Wir setzen die Belohnungsfunktion in TikTok Lite freiwillig aus, während wir uns mit den Bedenken auseinandersetzen", teilte das Unternehmen mit.

Brüssel hatte zuvor mit einer Blockade der Funktion, die seit April in Frankreich und Spanien verfügbar war, in der EU gedroht. TikTok Lite enthält ein Punktesystem: Wer sich anmeldet, mehrere Stunden Videos schaut oder Freunde zu TikTok einlädt, wird mit digitalen Münzen belohnt.

Isabell Karras, ARD Washington, tagesschau, 24.04.2024 16:32 Uhr
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